Die Regulierung von Banken dient vor allem dem Schutz der Bankkunden und der Sicherheit bzw. der Stabilität des Finanzsystems. Banken- und Finanzmarktregulierung findet in verschiedenen Rechtsformen statt. Während die Grundlagen auf Gesetzesstufe normiert sind (z.B. Bankengesetz, Finanzmarktaufsichtsgesetz), werden die Inhalte durch Verordnungen des Bundesrats konkretisiert (z.B. Bankenverordnung). Hinzu kommen Verordnungen und Rundschreiben der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) wie auch Selbstregulierungen (Richtlinien, Empfehlungen) des Finanzsektors. In erster Linie zuständig für die Banken- und Finanzmarktregulierung ist die FINMA als unabhängige Aufsichtsbehörde des Bundes. Die Überwachung der Banken erfolgt in ihrem Auftrag durch Prüfgesellschaften als bankengesetzliche Revisionsstellen (dualistisches Aufsichtssystem). Zur Bekämpfung der Geldwäsche, Insider-Absprachen oder bewusste Falschinformationen in telefonischen Beratungsgesprächen der Finanzbranche, hat der Schweizer Gesetzgeber vor fünf Jahren eine Regulierung der Beweisbarkeit von Aufträgen, Beratungen und Entscheidungen eingeführt.
FINMA: Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Protokollpflicht
Diese Regulierung gemäß FINMA beinhaltet eine elektronische Aufzeichnungspflicht, die nicht nur für interne und externe Festnetztelefonate, sondern auch für Mobilfunkgespräche, elektronische Korrespondenz, multimediale Kommunikationskanäle (SMS, Chat) sowie die zugehörigen Verbindungsinformationen gilt. Die Aufzeichnungen sind für die Belange der FINMA mindestens zwei Jahre unverändert aufzubewahren. Die Nutzung von Kommunikationsmitteln, bei welchen die Aufzeichnung nicht sichergestellt werden kann, ist nicht zulässig.
Damit diese Aufzeichnung im Streitfall auch als Beweismittel dienen kann, sind die Anforderungen aus der Geschäftsbücherverordnung (GeBüV) zu berücksichtigen. Neben der Pflicht zur Aufzeichnung sind zusätzliche Anforderungen aus dem Internen Kontrollsystem (IKS), der internen Compliance, dem Datenschutz, dem Schutz der Persönlichkeitsrechte sowie Schulung und Training zu beachten.
Aufgaben der Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Protokollpflicht
- Erfüllung der regulatorischen und gesetzlichen Bestimmungen
- Erhöhung der Rechtssicherheit und Schutz vor ungerechtfertigten Forderungen
- Nachweis einer professionellen Vorgehensweise und ausführliche Wahrnehmung der Aufklärungs- und Informationspflicht
- Zweistufige Auftragsabwicklung durch Bestätigung des Protokolls oder explizite Zustimmung durch den Kunden
- Optimierung der Kommunikation und der Geschäftsprozesse
- Nachweis einer verantwortungsvollen Unternehmensführung
Die Schweizer Antwort auf MiFID II: Fidleg
Die Sprachaufzeichnung im Bankensektor besteht aber nicht nur in der Schweiz: Das Europäische Parlament hat zum Schutz der Bankkunden im Mai 2014 eine Verschärfung der Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) verabschiedet. Mit diesem doch sehr komplizierten Regelwerk will die EU unter anderem Kleinanleger besser schützen und Interessenkonflikte ausmerzen. Sie soll das Finanzsystem sicherer, transparenter und verantwortungsvoller machen. Seit Anfang 2017 müssen entsprechende Telefonate und Beratungsgespräche in allen EU- und EWR-Staaten aufgezeichnet werden – und zwar in Festnetz- und Mobilfunknetzen.
Das EU-Regelwerk hinterlässt auch in der Schweiz Spuren. Obwohl die Schweiz (bekanntermaßen) kein EU-Mitglied ist, kommen Schweizer Finanzinstitute, die Kunden in der EU haben oder die dort Geschäfte machen und das Geschäft mit EU-Kunden nicht aufgeben wollen, nicht umhin die Richtlinie umzusetzen. Und Schweizer Finanzdienstleister erzielen einen erheblichen Teil ihrer Umsätze in der EU.
Deshalb hat der Schweizer Gesetzgeber mit dem Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) eine Schweizer Variante von MiFID II auf den Weg gebracht, die als schlankere und von der EU als gleichwertig anerkannte Regulierung in der Schweiz umgesetzt werden soll. Gemäß MiFID II werden Finanzinstitute aus Drittländern nämlich nur zum EU-Markt zugelassen, wenn die Aufsichts- und Wohlverhaltensregeln in ihrem Land gleichwertig mit denen in der EU sind.
Kurz nachgefragt
Herr Bütler, seit dem 1. Januar 2020 sind Fidleg und die dazugehörigen Verordnungen in Kraft. Auf Vorschriften wie das Aufzeichnen von Telefongesprächen wurde hier allerdings verzichtet. Wie wird Aufzeichnung und Archivierung nun in der Praxis konkret umgesetzt?
Das wird von Bank zu Bank ganz verschieden umgesetzt. Wenn es konkret um die Aufzeichnung der Gespräche geht, dann regelt das ganz klar die FINMA. Das Gesetz beinhaltet auch keine Regelungen wer bzw. was ganz konkret aufgezeichnet werden muss. Das entscheiden die großen Banken in ihren eigenen Compliance-Richtlinien. Die Aufzeichnung kann dann die gesamte Bankenkommunikation umfassen, kann aber auch nur einzelne Bereiche, wie Back Office, Vermittlung oder Trade betreffen. Es gibt aber eine klare Tendenz dahin, 100 Prozent der Kommunikation aufzuzeichnen. Denn letztendlich geht es darum, die größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten, gerade wenn es um den Punkt Beweisbarkeit von Gesprächsinhalten geht.
Die Aufbewahrung dieser Aufzeichnungen ist ebenfalls von Bank zu Bank unterschiedlich. Manche Banken bewahren die Aufzeichnungen zwei Jahre gemäß FINMA auf, manche sogar bis zu zehn Jahre. Außerdem hat jedes Finanzinstitut auch unterschiedliche Kunden aus unterschiedlichen Ländern und muss sich entsprechend an deren Regelungen halten. Es gibt zum Beispiel Trade Floors bei Banken, die nur europäische Kontakte haben und die orientieren sich dann an den Vorschriften von MiFID II. Es gibt aber auch Trade Floors in der Schweiz, die sozusagen ihre Compliance trennen. Da verantwortet die ein Hälfte Europa und die andere die Schweiz und halten sich auch entsprechend an die jeweils erforderlichen Regulierungen.
Was bewirkt die Aufzeichnung und Archivierung Ihrer Meinung nach?
Auf jeden Fall die Sicherstellung von Nachvollziehbarkeit. Also auch in der Lage zu sein im Nachgang festzustellen: was wurde konkret besprochen? Sollte es im schlimmsten Fall zu einer Klage kommen, ist so alles beweissicher aufgezeichnet und hinterlegt. Daneben geht es auch um die Nachvollziehbarkeit bei Unklarheiten. Nehmen wir zum Beispiel den Trade Floor. Da kann es schnell passieren, dass in der Hektik die Ansagen nicht mehr klar nachvollzogen werden können. Hier hilft es das Gespräch nochmals anzuhören, um sicher zu gehen, was geordert wurde.
Die Aufzeichnungen spielen auch für das Risk Management und die Compliance eine wichtige Rolle. Also, was für Risiken geht die Bank überhaupt ein? Möchte Sie diese Risiken überhaupt eingehen und hält sich der Mitarbeiter an die Regeln bzw. Compliance-Vorgaben? Außerdem gibt es bei den Banken interne Auditoren, die sich solche Aufzeichnungen stichpunktartig nochmal anhören. Da geht es dann um Fragen wie: „Hat sich der Mitarbeiter richtig verhalten?“, „Hat der Mitarbeiter alle erforderlichen Themen abgefragt, wie zum Beispiel, ob das Geld versteuert ist?“ Das ist für die Bank gleichzeitig eine Art Qualitätssicherung.
Gibt es Besonderheiten im Schweizer Bankwesen, die die Aufzeichnung beeinflusst?
Die Schweiz ist geprägt von einer sehr vielfältigen Kultur. Das bezieht sich nicht nur auf die 126 verschiedenen Nationen, die in der Schweiz vertreten sind, sondern auch auf die Vielsprachigkeit der Schweiz. Neben den vier Landessprachen (Deutsch, Italienisch, Französisch und Romanisch) haben wir auch sehr viele lokale Dialekte. Das erschwert zum Beispiel die Suche nach Keywords in den Aufzeichnungen.
Aber auch die Compliance ist davon betroffen. Denn nicht jeder versteht alle Sprachen und alle Dialekte. Dadurch wird es schwieriger und in einem gewissen Sinne auch gefährlicher Handel zu treiben. Umso wichtiger ist hier eine Aufzeichnung, um Missverständnisse auszuräumen und Gespräche besser nachvollziehen zu können. Sprich: Die Komplexität der Schweizer Bevölkerung beeinflusst auch das Schweizer Finanzbusiness. Trotz aber auch gerade wegen seiner Komplexität und vielen Facetten ist der Schweizer Finanzmarkt für mich ein besonders spannender.